Selina Dahm An seinem Kopfende lag eine Blechdose von Jochen Schweizer mit dem Titel „Für wahre Helden“. Neben seinem Kopf und auf der ganzen Decke verteilt lagen Glubschis und andere Stofftiere. In der kalten Hand hielt er das Foto seiner Familie. Justin lebt nicht mehr und liegt im gekühlten Abschiedsraum unter Neonlicht in seinem offenen Sarg. Seit seinem Tot vor einer Woche besuche ich meinen Bruder täglich in der Kapelle des Friedhofes. Ich habe keine Angst, ganz im Gegenteil, ich möchte bei Justin sein, mich um ihn kümmern und ihn am liebsten gar nicht gehen lassen. Angefangen hatte alles in dem Jahr, in dem ich eingeschult wurde. Justin war zwei Jahre jünger als ich, also 4 Jahre, als er plötzlich nicht mehr von einer Untersuchung zurück kam. Nachdem man bei ihm einen Hirntumor entdeckt hatte, verbrachte er 9 Monate am Stück in der Kinderklinik in Mainz. Ich erinnere mich sehr genau an den ersten Besuch, bei dem ich mich erschreckte. Justin hatte keine Haare mehr und die große Narbe an seinem Kopf markierte die Stelle, an dem man vergeblich versucht hat den Tumor zu beseitigen. Er war blass und erschöpft, irgendwie leer. Als ältere Schwester habe ich sofort meinen Beschützerinstinkt bemerkt und […]
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